EINER VON VIERZEHN
Günther Kosick
EINER VON VIERZEHN
Günther Kosick
Warum haben deine Eltern eigentlich so viele Kinder?
Na, hätten sie beim neunten Kind aufhören sollen?
Ja. Wäre doch besser gewesen.
Danke, dann wäre ich nicht da.
Und niemand hätte diese Geschichte erzählt.
Wahrlich, meine Eltern liebten das Leben, feierten es mit vierzehn Kindern.
Zwei Handballmannschaften sind das, ein kleines Turnier, Spaß und Abenteuer. Doch auch der Kreuzweg führt über vierzehn Stationen.
Keine leichte Strecke. Als habe man mir den Ausblick in die Zukunft geraubt, geisterte ich als „Nummer 10“ manchmal durch Mutters Wäschelabyrinth. „Gott im Himmel“, murmelte ich, „in was für einen Saustall hast du mich nur reingeboren?“
Dann die Schule! Jeder Statistiker dieser Welt hätte mich abschmieren und die Sonderschule besuchen sehen. Ich aber kämpfte, wuchs heran, wurde stärker. Hortete die als Pferde-Ranger verdienten Scheine unter meiner roten Kiste, kuschelte im Heu, fing „meinen Windhund“, gründete eine Familie und wurde „euer Malermeister“.
Wie Donnerhall erklangen Vaters letzte Worte, vierzehn Briefe mit dem Wort „enterbt“ wurden verschickt. Ich aber kämpfte weiter, knöpfte mir das Finanzamt und meine Bank vor.
Zum „Fünfzigsten“ rollte ich dann den roten Teppich für dreihundertzwanzig Gäste aus. „Einer von Vierzehn“ (1 von 14) – eine Feier des Lebens!
Lars Röper hat die Lebensgeschichte von Günther Kosick aufgeschieben.
Die „Geschichte meines Lebens“
Erstes Treffen mit Lars Röper
„Einer von Vierzehn“, stellt er sich am Telefon vor. Nennt natürlich auch seinen Namen, erzählt von unglaublich vielen Geschwistern, dass er Malermeister sei und vor einigen Monaten, zu seinem „Fünfzigsten“, mehr als 300 Gäste kamen. Eine DVD davon werde er mir schicken; der Film dauere nur so ein, zwei Stunden.
Ich schlucke. Liebe meinen Beruf, schaue mir, wie die meisten Menschen, allerdings nicht so gerne Filme von Geburtstagsfeiern anderer Leute an. Besonders dann, wenn ich nicht einmal eingeladen war. Aber gut, wenn dieser „Einer von vierzehn“ meint, der Film sage viel über sein Leben – Rechner an, Film rein und ab.
320 Gäste, zwei Stunden. Und das Wissen, dass der Typ sich aus dem Wirbelsturm eines Haushaltes mit vierzehn Kindern in ein eigenes, aufregendes und ihn glücklich machendes Leben geschwungen hat. Tatsächlich sieht man all das in dem Film. Bisher keine Geburtstagsfeier hat mich derart beeindruckt.
Noch einmal telefonieren wir, legen beide mit dem Gefühl auf, dass es gefunkt hat und wir aus diesem Funken ein Feuerwerk von Buch in die Welt zaubern müssen. „Gleich im nächsten Jahr“, vereinbaren wir, holen am Neujahrstag noch einmal tief Luft und begegnen uns am 2. Januar 2018 erstmals persönlich.
Ich komme mit dem Fahrrad, werde auf freier Fläche brutalst von einem Schauer erwischt und wechsele wie ein Penner auf der Hoteltoilette meine gesamte Kleidung. Übermäßig erfrischt betrete ich die Lobby und schaue mich um. Da vorne schleicht einer rum, der dem Geburtstagskind aus dem Film ähnlich sehen könnte. Gleich gehe ich zu ihm und spreche den Mann an. Nein, sagt er freundlich, er sei keiner von vierzehn, er sei Einzelkind.
Ich entschuldige mich, sehe mich weiter um. Das muss er sein. Dem steht die wilde Kinderstube doch schon ins Gesicht geschrieben.
Günther Kosick und ich reichen uns das erste Mal die Hand, lächeln uns an und verbringen die folgenden drei Tage in der Lobby eines Potsdamer Hotels. Wir genießen die Geschichten, die gemeinsame Zeit, den Kaffee, das Essen sowie natürlich all die Ideen für unser Buch. Immer wieder beugt „Einer von vierzehn“ (1 von 14) sich in seinem weißen, zwischen Avantgarde und Dracula changierenden Rüschenhemd weit zu mir herüber, fährt mit seinem Zeigefinger wie ein Geisterbeschwörer durch die Luft, reißt die Augen auf und philosophiert, liebt, flucht, reitet und arbeitet sich durch sein bisheriges Leben. „Das wird ein kraftvolles Buch“, wird mir klar. Hier ist es.